Winter


Es war einmal eine kleine Fee, mit hellen blauen Augen, einem süßem Stupsnäschen. Auf dieser kleinen Stupsnase trug sie eine kleine Brille. Damit sah sie sehr, sehr ernst aus – wie eine Lehrerin. Doch ihr Mund verriet, dass sie nicht so ernst sein konnte, denn der Mund lachte die ganze Zeit. Außer wenn sie Hunger hatte, dann zog er eine richtige Schmollschnute. Trotz der Schmollschnute schauten die Augen weiter schelmisch hinter der Brille hervor. Die Fee hatte blondes grauses Haar, welches sie immer mit bunten Blumen zu wirren Frisuren aufsteckte.
Natürlich braucht so eine Fee, wie jedes Kind schon weiß, einen Sternenstab. Das ist so etwas wie ein Zauberstab, nur ganz in rosa mit vielen Bändchen umwickelt. Oben an diesem Stab ist noch ein blau funkelnder Stern angebracht. Der zieht, wenn man ihn hin und her bewegt, viele Sternchen hinter sich her. Wenn sie damit über die Wiese saust, zaubert sie ganz viele kleine Blüten in das Gras und hübsche Schmetterlinge in die Luft.
Feen müssen vor dem Sonnenuntergang in ihren Baumhöhlen sein. Doch eines Tages spielte die kleine Fee wieder mal viel zulange mit dem Eichhörnchen von nebenan. Als die Sonne den Himmel schon lila färbte, rannte sie noch flinker als das Eichhörnchen in ihre Baumhöhle. So eine Baumhöhle ist urgemütlich. Alles ist mit Moos ausgelegt und an der Decke hängen ganz viele bunte Sternensteine. Diese leuchten in allen Regenbogenfarben die kleine Fee sacht in die Welt der Träume hinüber.
Da Feen Kinder des Windes sind, haben sie auch Flügel. Damit können sie flink über Wiesen und Auen sausen. Doch als unsere kleine Fee am nächsten Morgen erwachte, waren ihre Flügel weg. In heller Aufregung durchsuchte sie ihre gesamte Baumhöhle. Sie schaute unter das Moosbettchen und den Laubsessel. Auch unter dem grünen Teppich waren sie nicht. Bedrückt setzte sie sich auf den Ast vor ihrer Baumhöhle und weinte bitterlich. Sie schluchzte und schniefte so laut, dass bald schon das Eichhörnchen angekrabbelt kam. Und natürlich wollte es wissen, warum die kleine Fee so traurig sei. Das Eichhörnchen konnte nur mit den Achseln zucken, denn es wusste auch nicht, wo die Flügel lagen.
Also stapfte die Fee verdrießlich mit gesenktem Kopf über die Wiese. Dicke Tränen kullerten ihr von der rosa Wange. Kleine tränen trafen auf Blüten. Die Blüten wurden langsam braun und welk und verschwanden. Und die Tage vergingen und die kleine Fee weinte und keine Blume stand mehr auf der Wiese. Tag für Tag wurde alles grauer. Das Lachen war verschwunden. Der Himmel ertrug es nicht mehr und bedeckte das Grau mit strahlendem Weiß.
Nach dem die Blumen verschwanden, verschwand auch die kleine Fee. Niemand hatte sie mehr gesehen. Die Tiere sprachen zum Wind: „Wind, wo ist das Lachen. Wind, wo sind die Blumen. Wind, wo ist deine Tochter.“ Der Wind hatte ein Einsehen. Er suchte und suchte. Suchte das es pfiff. Er rauschte als weiße Wolke übers Land. Er fand sie nicht. Kein Laut war mehr zu hören als sich der Wind unter einem Baum ausruhte. Als die Vöglein schwiegen, hörte man ein leises Wimmern. Der Wind schlich sanft über den Schnee, immer näher kam er dem Wimmern. Unter einer Wurzel kauernd fand er nun – die Fee. Noch immer wimmerte sie.
Plötzlich gluckste es, dann kicherte es und dann schrie die Fee ihr Glück hinaus. Der Wind hatte seine eisigen Finger geöffnet und in seiner Hand lag ein neues, glänzendes Paar Flügel. Die Fee tanzte und sprang über die Wiese. Wo sie hintrat schmolz der Schnee. Sie schwenkte übermütig ihr Sternenstab. Blumen blühten auf, Schmetterlinge flatterten. Und wenn die kleine Fee nicht gestorben ist, verlegt sie ihre Flügel noch heute…